Dieser Prozess des Eindringens der fremden Wörter in den deutschen Wortbestand hat zwei Seiten:
Als Resultat der wechselseitigen Entlehnung der Lexik der Sprache des Siegervolkes und der des besiegten. Deutschland blieb im Laufe der Jahrhunderte ein Land der Kleinstaaten und geriet infolgedessen in verschiedenen historischen Perioden unter den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Einfluss anderer, höher entwickelter Länder. Diese sozial-historischen Ursachen geben Erklärung auch über Arten, Wege und Formen der Entlehnung in verschiedenen Perioden der deutschen Geschichte. Entscheidend für das Schicksal der übernommenen Lexik ist immer ein Zusammenwirken konkreter historischer Umstände. In erster Linie sind im lexikalischen System der deutschen Sprache Entlehnungen verwurzelt, die Sach- und Wortentlehnungen waren und Sachverhalte einer höheren Entwicklungsstufe repräsentierten, auf der sich eines der kontaktierenden Völker in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht befand. Gewöhnlich werden die Wörter zusammen mit den durch sie bezeichneten Gegenständen und Erscheinungen aufgenommen. Entlehnungen geraten gewöhnlich unmittelbar aus einer Sprache in die andere, manchmal aber kann eine dritte Sprache als Vermittler dienen.
Als Folge verschiedenartiger gegenseitiger Beziehungen der Völker zueinander. Alle Entlehnungen sind in die deutsche Sprache entweder mündlich oder schriftlich gekommen. In dem deutschen Wortschatz lassen sich neben zahlreichen Entlehnungen aus dem Keltischen, Lateinischen, Französischen, Italienischen, Englischen, Slawischen auch Lehnwörter aus dem Spanischen, Portugiesischen, aus dem Japanischen, aus den afrikanischen und türkischen Sprachen feststellen. Die Entlehnungen erstrecken sich auf verschiedene Lebensgebiete – Landwirtschaft, Militärwesen, Bauwesen, Handel, Religion, Gesellschaftsordnung, Musik, Kunst, Hauseinrichtung, Bildung, Wissenschaft.
Alle Wörter der deutschen Sprache werden ihrer Herkunft nach in drei Gruppen eingeteilt:
- Wörter mit indoeuropäischen Stämmen (z. B. Vater, Mutter, Maus, Nacht). Von diesen Wörtern stammt heute mehr als die Hälfte der heute gebrauchten deutschen Wörter.
- Wörter mit germanischen Stämmen (z. B. Luft, Bein, geben). Diese Stämme bilden 30 % aller Stammwörter der deutschen Sprache.
- Entlehnungen aus verschiedenen Sprachen (Griechisch, Lateinisch, Italienisch, Französisch, Englisch usw.).
Die historische synchronistische Lexikologie beschäftigt sich mit dem entlehnten Wortgut. Die historische Lexikologie untersucht die Entlehnungs- und Entwicklungsgeschichte des Wortschatzes, die Anpassung der Wörter an die Gesetze der betreffenden Sprache und stellt Quellen, Zeit und die Art der Entlehnung klar. Die synchronistische Lexikologie erforscht die Stellung des entlehnten Wortgutes im lexikalischen System der modernen Sprache und seine Besonderheiten, macht Klassifizierung der Entlehnungen nach ihren Eigenarten.
Wortentlehnung ist eine natürliche Folge der Kontakte zwischen den Völkern und stellt eine wichtige Quelle der Wortschatzerweiterung dar. Das entlehnte Wortgut im lexikalisch-semantischen System des Deutschen ist zahlenmäßig sehr bedeutend. Verschiedene Perioden der deutschen Sprachgeschichte sind bekanntlich mit dem Einfluss verschiedener Sprachen als Widerspiegelung bestimmter geschichtlicher Faktoren verbunden.
Unter dem Begriff Entlehnung versteht man sowohl den Entlehnungsvorgang, d. h. die Übernahme fremden Sprachgutes, als auch das Resultat dieses Prozesses – das entlehnte fremde Sprachgut selbst.
Die extralinguistischen Ursachen der Entlehnung:
- neue Begriffe und Gegenstände werden mit ihrer fremdsprachigen Benennung wegen der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Kontakte zwischen den Ländern übernommen;
- das Lehnwort bezeichnet die Sache, die in der entlehnenden Sprache in der bestimmten Zeit keine Bezeichnung hat;
- fremde Begriffe werden mit ihren Benennungen entnommen;
- die Entlehnungen sind durch die Sprachmode verursacht. Zu linguistischen Ursachen der Entlehnung gehören:
- der jeweilige Entwicklungsstand des semantischen Systems einer entlehnenden Sprache;
- die Auffüllung thematischer Reihen und lexisch-semantischer Gruppen durch Entlehnungen, expressiver Synonyme aus anderen Sprachen;
- der Bedarf an euphemistischer Lexik. Das lexikalisch- semantische System des Deutschen verfügt über eine bedeutende Anzahl von ethischen und sittlichen Euphemismen fremden Ursprungs;
- die Entlehnungen von Fremdwörtern zur terminologischen Verwendung. Es wird nur eine lexisch-semantische Variante des Lexems entlehnt;
- Entlehnungen können gleich Stammwörtern zur Neutralisierung einer übermäßigen Polysemie beitragen oder zum Schwund entbehrlicher Homonyme.
Das System der entlehnenden Sprache bestimmt ebenfalls eine auf verschiedenen Entwicklungsstufen des deutschen Wortbestandes belegte Regelmäßigkeiten:
- Bei Einführung der Entlehnungen in ein neues lexikalisch- semantisches System wird die semantische Struktur der Fremdwörter nur teilweise entlehnt. Die semantische Struktur oder das Bedeutungsgefüge der Fremdwörter wird reduziert.
- In einem neuen lexikalisch-semantischen System zeigen Fremdwörter eine Tendenz zur Erweiterung ihrer semantischen Struktur.
Die Entwicklung der semantischen Selbstständigkeit einer Entlehnung ist entscheidend für ihre Einbürgerung in ein neues System. Unter der semantischen Selbstständigkeit einer Entlehnung wird die Aufhebung der Dubletten-Beziehung in den synonymischen Paaren Fremdwort – Stammwort verstanden. Alle anderen Abwandlungen und Prozesse, denen Entlehnungen beim Funktionieren in einem neuen lexikalisch-semantischen System unterliegen, sind sekundäre Folge der semantischen Selbständigkeit: formelle Assimilation, wortbildende Produktivität, Geläufigkeit, regelmäßiger Gebrauch. Die Wortschatzbereicherung durch die Entlehnung besteht nicht nur in der quantitativen Erweiterung des Wortbestandes, bei der Wörter entlehnt werden, die neue Gegenstände und Erscheinungen bezeichnen. Die Bereicherung des Wortbestandes offenbart sich auch darin, dass das Lehngut Ausdrucksmöglichkeiten der entlehnenden Sprache durch begriffliche und funktional-stilistische Differenzierungen erweitert, die Fremdwörter in den betreffenden semantischen oder synonymischen Reihen bewirken.