Das Verb hatte im Althochdeutschen folgende grammatischen Kategorien:
1) Kategorie der Zahl
2) Kategorie der Zeit
3) Kategorie der Person
4) Kategorie des Genus (Handlungsart: Aktiv, Passiv)
5) Kategorie des Modus (Aussageweise: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv)
a) Entwicklung der Zeitformen
Zu diesen Zwecken dienten die althochdeutschen Verben "sculan" (sollen) und "wellen" (wollen) mit dem Infinitiv.
z.B.: ahd. Mit geru scal man geba infahan.
(nhd. Mit der Lanze wird (buchstäblich: soll) man Geschenke
empfangen)
Etwas später entwickelte sich die Umschreibung „werden + Infinitiv“.
Die Umschreibung "werden + Infinitiv" wird allmählich zu einer grammatikalischen Form, die die Zukunft ausdrückt. Sie ist in der Grammatik als Futurum bekannt.
Zum Ausdruck der Vergangenheit diente im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen das Präteritum. Diese Form konnte ursprünglich auch im Sinne einer vollendeten Handlung (des Perfekts) gebraucht werden.
In der althochdeutschen Zeit entwickelten sich die analytischen Ausdrucksformen der Vergangenheit: das Perfekt und das Plusquamperfekt, doch sind sie weder in der althochdeutschen, noch in der mittelhochdeutschen Periode vollständig grammatikalisiert.
b) Die starken und schwachen Verben im Althochdeutschen
Das Hauptkennzeichen der starken Verben ist die mehrfache Variierung ihrer Wurzelmorpheme infolge des Ablauts und der Brechung.
Die schwachen Verben sind der produktive Typ der Verben und können sehr leicht durch Ableitung und Entlehnung entstehen.
z.B.: alt - alten (nhd. ältern)
enti - enton (nhd. enden)
offan - offanon (nhd. öffnen)
dictare - dicton (nhd. diktieren)
Die schwachen Verben weisen im Althochdeutschen besondere Suffixe im Stamm auf.
z.B.: brenn - a – n; ent - o – n; alt - e – n; daht - o - n
Nach den Suffixen "-a, -o, -e" werden sie in drei Klassen eingeteilt:
1. Die schwachen Verben der 1. Klasse hatten das Suffix "-j (-i)".
Im Althochdeutschen ist dieses Suffix schon zum Teil reduziert, im Gotischen ist es aber deutlich zu sehen.
z.B.: gotisch: dails ® deil-j-a-n (nhd. Teil ® teilen)
fulls ® full-j-a-n (nhd. voll ® füllen)
Im Althochdeutschen erscheint das Suffix –j (-i) im Präsensstamm als selbstständiges Morphem nicht mehr. Seine Nachwirkung auf die Lautform des Verbs ist zweifach:
1) es ruft den Umlaut des Vokals im Wurzelmorphem hervor
z.B.: got. ahd.
fulljan - füllen
2) bei der Verschmelzung mit dem Suffix des Infinitivs beeinflusst es die
Lautform desselben: j + an = en
z.B.: got. ahd.
sandjan - senden
drankjan - trenken (nhd. tränken: ichirmoq / поить;
trinken: ichmoq / пить)
2. Die schwachen Verben der 2. Klasse hatten das Suffix "-o "
z.B.: fisc - o - n (fischen) dict - o - n
zwifel-o – n daht - o - n
offan - o – n ent - o - n
3. Die schwachen Verben der 3. Klasse hatten das Suffix "-e"
z.B.: alt - e – n tag - e - n
c) Konjugation der starken Verben im Präsens und Präteritum
im Althochdeutschen
Die einfachen starken Verben haben im Althochdeutschen im Präsens drei Morpheme:
1) Wurzelmorphem
2) Suffix des Präsens (der sogenannte Themavokal)
3) Flexion (Personalendung)
In der 2. und 3.P.Sg. haben die starken Verben den Themavokal -i, in der 1. und 3.P.Pl. den Themavokal –a. In der 1.P.Sg. und in der 2.P.Pl. ist der Themavokal mit der Personalendung verschmolzen.