1. Die erste (germanische) Lautverschiebung
Das wichtigste phonetische Merkmal der Trennung der germanischen Sprachen von den indoeuropäischen Sprachen ist die erste (oder "germanische") Lautverschiebung.
Es gibt zwei Fälle:
1. die indoeuropäischen stimmlosen Verschlusslaute "p","t","k" wurden im Germanischen zu den stimmlosen Reibelauten:
ide. germ. z.B.: griech. gotisch
p ® f [ f ] pater ® fadar (nhd.Vater)
t ® [q ] treis ® reis (nhd.drei)
k ® h [ x ] kardia ® hairto (nhd.Herz)
2. die indoeuropäischen stimmhaften Verschlusslaute "b","d","g" werden im Germanischen zu den stimmlosen "p","t","k":
ind. germ. z.B.: griech. gotisch
b ® p baite ® paida (Rock)
d ® t dyo ® twai (zwei)
g ® k zygon (lat.jugum ® juk (Joch)
2. Die zweite (althochdeutsche) Lautverschiebung
Die zweite Lautverschiebung begann im 5. Jh. in Oberdeutschland und breitete sich seit dem 6. Jh. nach Norden hinaus. Die zweite Lautverschiebung ist ein phonetisches Merkmal der Entwicklung der deutschen Mundarten aus den germanischen Sprachen. Nach dieser Lautverschiebung können wir auch die deutschen Mundarten voneinander unterscheiden. Diese Veränderung wurde von Jacob Grimm (1785-1863) festgestellt und Lautverschiebung genannt.
Die 2. Lautverschiebung hat drei Fälle:
1. Die stimmlosen Verschlusslaute "p","t","k" wurden zwischen Vokalen und im Wortauslaut nach einem Vokal zu den hochdeutschen stimmlosen Reibelauten "f", " ", "h".
germ. dt. z.B.: altsächs. Ahd
p → f ( ff ) slapan → slafan
t → ( ) [ s ] etan → e an
k → h ( hh ) ik → ih
skip → skif (nhd.:Schiff) (engl.:ship)
2. Diese Laute "p","t","k" wurden im Wortanlaut, in der Verdopplung und nach dem Konsonanten im Wortauslaut zu den Affrikaten pf, z, kch.
germ. ahd. z.B.: altsächs. ahd.
p → pf pund → pfunt
t → z tunga → zunga
k → kch (ch) korn → (k)chorn [khorn]
werk → wёrch (nhd.Werk)
Die Verschiebung k → kch bleibt in bairischen und alemannischen Dialekten, aber verbreitet sich nicht in anderen.
3. Die stimmhaften „b“, „d“, „g“ haben ihre Stimmhaftigkeit verloren, sie wurden zu den stimmlosen „p“, „t“, „k“.
germ. ahd. z.B.: altsächs. ahd.
b → p geban → kepan
d → t dogs → tag
g → k
Aber allgemeine Geltung hat nur d → t ;
b → p und g → k bleiben beschränkt in Bayrischen und Alemannischen.
3. Das System der althochdeutschen Konsonanten, Vokale und Diphthonge
Der Konsonantenbestand des Ostfränkischen, der dem Konsonantenbestand der Literatursprache am nächsten steht, sieht so aus:
stimmlose Explosivlaute: p t k k
stimmhafte Explosivlaute: b d g
stimmlose Frikaivlaute: f (ff) , s hh (ch) h
stimmhafte Frikativaute: th (dh)
Affrikaten: pf z [ts]
Faringale (Kehlkopflaute): h
Liquiden: l r
Nasale: m n
Halbvokale w (gesprochen wie e. water)
f (v): fater, vater ‚Vater‘; fogal,vogal ‚Vogel‘;
p: plagen ‚plagen‘, spati ‚spät‘; b: berg ‘Berg’, boum ‘Baum’;
pf (ph): pflanza, phlanza ‘Pflanze’, apful, aphul ‘Apfel’;
th, dh [ ]: ther, dher ‘der’, thionon, dionon ‘dienen’;
t: tiufi ‘tief’, tot ‘tot’; d: dri ‘drei’, diot, thiot ‘Volk’
z [ts]: zit ‘Zeit’, zuo ‘zu’; s: sunu, sun ‘Sohn’, sunna ‘Sonne’;
z ( , ): tha ‘das’, wa ar ‘Wasser’;
h (ch) [x]: suohhen, suochen ‘suchen’, sprehhan, sprechen ‘sprechen’;
h [h]: hano ‘Hahn’, sehan ‘sehen’;
k (c, ch): klostar ‘Kloster’, akar, ackar, accar, acchar ‘Acker’
g: garto ‘Garten’, weg ‘Weg’; j (i): iar, jar ‘Jahr’;
h : hwer, später wer ‘wer’, hwila, später wila ‘Zeit, Weile’;
qu [k ]: queman ‘kommen’, quedan ‘sagen’;
l: leren ‘lehren’, helfan ‘helfen’; r: regan ‘Regen’, dorf ‘Dorf’;
m: min ‘mein’, kempfo ‘Kämpfer’; n: neman ‘nehmen’, kind ‘Kind’;
w ( uu, u): weg, uueg, ueg ‘Weg’, zwifalon, zuuifalon ‘zweifeln’;