Unter der charakterologischen Lexik versteht man die Wörter, die im Text ein zeitliches, soziales, berufliches, örtliches, lokales, nationales Kolorit schaffen können. Diese Lexik versorgt den Text mit typischen Merkmalen einer bestimmten Zeit, Landschaft (Gegend), eines Berufsbereichs, einer sozialen Gruppe.
Unter Kolorit versteht man eine bestimmte besondere Atmosphäre, die dank diesen Wörtern fühlbar wird, deshalb sind diese Wörter expressiv.
Lexeme lassen sich unterscheiden:
1) nach der zeitlichen Gliederung des Wortschatzes bzw. dem Entstehungszeitpunkt des Wortes (diachronische Markierung):
a) der Archaismus – veraltetes oder veraltendes Wort:
das Konterfei – das Porträt; der Aeroplan – das Flugzeug;
die Niederkunft – die Entbindung.
Zu Archaismen gehören auch phonetische und grammatische Formen:
ward – wurde.
Das Wort stellt eine Einheit von Begriff, Bedeutung und Form dar, deshalb unterscheidet man:
Begriffsarchaismen (Historismen) – Wörter, die nicht mehr aktiv gebraucht werden, weil sie eine Sache bezeichnen, die aus dem Leben gekommen ist. Sie sind meist mit der Geschichte des Volkes verbunden:
der Ritter, der Kurfürst, der Harnisch, der FDJ-Sekretär. Bedeutungsarchaismen – Wörter, deren Grundbedeutung veraltet ist, diese Wörter bleiben sogar im aktiven Sprachgebrauch, aber mit einer neuen Bedeutung:
die Zunge – ein Organ des menschlichen Körpers, die Bedeutung „Sprache“ ist veraltet.
Formarchaismen – die Bedeutung ist nicht veraltet, die Wörter drücken vorhandene Begriffe aus:
die Minne – die Liebe; die Magd – das Mädchen;
der Neologismus (Neuwort) – noch nicht geläufige gelegentliche, okkasionelle Neubildungen aus vorhandenen Wortelementen oder Neubedeutungen bisheriger Wörter oder bisher nicht geläufige Metapherbildungen. Journalistische Texte sind oft reich an Neologismen: chatten, simsen, Maus (neue Begriffe oder neubenannte Einrichtungen); der Gutmensch, die politische Korrektheit, die Altlasten (bei politischen Wandlungen);
a) der Anachronismus – Verwendung eines diachron markierten Ausdrucks in historisch unpassendem Kontext. Dieses Stilmittel nutzen oft Parodien und Satiren zur Bloßstellung bestimmter Zustände oder Haltungen, mitunter auch, um Parallelen zur Gegenwart oder einer anderen passenden Zeit herzustellen.
2) nach der räumlichen (nationalen und regionalen) Beschränkung (diatopische Markierung):
a) territoriale Dubletten – Synonyme innerhalb der Literatursprache, d. h. nord-, mittel- oder süddeutsche Varianten der gemeinsprachlichen Lexik (im Stil der Alltagsrede, allen verständlich):
die Karotte / die Möhre / die Mohrrübe (nordd.) / Rote Rübe, Rote Bete (rheinisch);
das Brötchen / die Schrippe (berl.) / die Semmel (österr., bayr., nordd., ostmd.);
die 3-Raum-Wohnung (ostdt.) – die 3-Zimmer-Wohnung. Teilweise können Bezeichnungsexotismen auch in die- se Gruppe gerechnet werden: die Matura (Österreich und Schweiz), das Matur (nur Schweiz), das Abitur („binnen- deutsch“);
b) Dialektismen – nichtliterarische Wörter und Wendungen, beschränkt auf einen engen Kreis der jeweiligen Mundart. Das Verständnis der Dialektismen zwischen Norden und Süden stößt auf Schwierigkeiten. Im Roman von Thomas Mann „Buddenbrooks“ reagiert das naive Hausmädchen, das selbst kein Wort Hochdeutsch spricht, auf die ihm unverständliche bayrische Dialektrede in reinstem Plattdeutsch:
... hei red’ nich dütsch un is ook goar tau snaksch
[er spricht nicht deutsch und ist auch gar zu närrisch].
In Texten mit Dialektwörtern bereichern diese oft die Ausdrucksvielfalt des Textes, vermitteln einen bestimmten Milieueindruck oder dienen der Ausgestaltung eines Sprachporträts einer Figur oder einer Gruppe. Die Hochsprache wird immer noch aus den Dialekten ergänzt, wie es auch umgekehrt geschieht;
3) nach der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Fachwortschatz (diatechnische Markierung):
a) Termini (Fachwort/Terminus) – aus verschiedenen Wissensgebieten (Physik, Medizin, Linguistik usw.):
die Intoxikation, die Kernspaltung, die Alliteration;
b) Professionalismen – aus verschiedenen Berufssphären: sichtiges Wetter – klares Wetter für die Seeausfahrt; abteufen – (zu tief) einen senkrechten Schacht ausgraben;
c) funktional-stilistische Lexik nicht terminologischen Charakters:
im Amtsstil: zwecks, gemäß, Substantive auf -name und -zwecken;
4) nach der sozialen Beschränkung als Gruppen- oder Sonderwortschatz (diastratische Markierung):
a) Argotismen (E. Riesel) – Wörter des Argots, d. h. Wörter einer Sonderlexik volksfremder Elemente, eine Art Geheimlexik und -phraseologie:
Klebis (Pferde), Sontzen (Edelleute), Kummerer (Kaufleute);
b) Vulgarismen – Argotismen, die aus den engen Kreisen der deklassierten Elemente in die allgemeine Volkssprache (zum Teil mit Bedeutungsänderung) eindringen und den breiten Massen verständlich werden. Als Wahrzeichen deren Abstammung behalten sie die grobe Stilfärbung:
eine miese Sache, miese Laune, der Miesepeter, Kamel mit Locken;
Jargonismen – die Sonderlexik der übrigen (außer den unteren) sozialen Schichten und die Sonderlexik bestimmter Berufskreise (Berufsjargonismen, Fachausdrücke), Studentenjargon:
der Schießer, die Studentengurke, abnippeln, der Noob, der Panzerknacker, der Schotter;
5) nach der Herkunft und dem Grad der Integration in die Zielsprache (Eindeutschung) (diaintegrative Markierung):
a) Fremdwort – aus einer fremden Sprache übernommenes oder in der übernehmenden Sprache mit Wörtern oder Wortteilen aus einer fremden Sprache gebildetes (in Aussprache, Schreibweise oder Flexion noch nicht voll der übernehmenden Sprache angeglichenes) Wort.
Internationalismus – Wort, das in gleicher Bedeutung und gleicher oder ähnlicher Form in verschiedenen Kultursprachen vorkommt:
Computer, Kompensation, Minute.
Bezeichnungsexotismus – Bezeichnung für Dinge und Sachverhalte, die im jeweiligen Sprachraum nicht vorhanden sind und für die es keine Übersetzung gibt:
der Bundestag, der Nationalrat, die Nationalversammlung, die Duma, der Landeshauptmann;
b) Lehnwort – aus einer fremden Sprache übernommenes Wort, dass sich in Aussprache und/oder Schreibweise und/ oder Flexion der übernehmenden Sprache angepasst hat: die Mauer (von lat. Murus), jobben, joggen;
c) Erbwort – die Bezeichnung für ein Wort, das sich aus einem schon in vorigen Sprachstufen einer Sprache enthaltenen Wort entwickelt hat:
der Bischof vom ahd. Biscof (8. Jh.) vom lat. Episcopus, das Eisen, die Sonne, der Vater, die Nase.