Die normative Grammatik anerkennt 3 Arten der Klammer:
1. Nominale Klammer – Einschub der Attribute zwischen den Artikel und das Substantiv. Auch das erweiterte Attribut gehört zum nominalen Rahmen (im Stil der Wissenschaft, des offiziellen Verkehrs). Das ist ein Mittel der Kürze und der Sprachökonomie, es ersetzt ganze Nebensätze:
Die im 18. Jahrhundert von dem berühmten Architekten Rastrelli gebaute Brücke.
2. Hypotaktische Klammer – Einschub der Satzglieder zwischen den Nebensatz und die endgestellte Wortform (Verbform):
Sie behauptet, dass sie dieses Buch schon gelesen hat.
3. Verbale Klammer – Einschub der Satzglieder zwischen den finiten Teil und den infiniten Teil des Prädikats:
Sie nahm von ihrer Familie schleunigst Abschied. Sie ist heute Abend mit dem Flugzeug angekommen.
Die Verletzung des jeweiligen Rahmens ist oft das Merkmal des Stils der Alltagsrede, der Ausdruck der Nachlässigkeit, der Emotionalität: Du zögerst, du hoffst, dass nichts passiert ist, in deiner Abwesenheit.
Sie fällt dir um den Hals, sieht dir in die Augen, so fragend, so flehend und unglücklich, dass du wegsiehst von deinem eigenen Kind.
In diesem Fall hat man mit dem sogenannten verkürzten Rahmen – mit der sogenannten Mittelstellung – zu tun, d. h. der Infinitiv bzw. das Partizip II steht in der Mitte des Satzes, das ausgerahmte Glied aber hat Ausrahmung.
Lasst uns deshalb auch in der Zukunft fest zusammenstehen – in unserem Kampf für Freiheit, Demokratie und Fortschritt.
Der Satz bekommt zwei Betonungen, zwei semantische Zentren, das ausgerahmte Satzglied wird gewichtet, der Satz wird dadurch zweigipfig. Die Ausklammerung kommt im Stil der Alltagsrede und der Belletristik besonders häufig vor: Herr Lindner konnte nicht sprechen vor Glück. Da taucht auf es. Tief erschüttert haben wir Abschied genommen von einer gütigen liebenswerten Frau und Kollegin.
Manchmal rückt man beide Teile des zusammengesetzten Prädikats zusammen. Die übrigen Satzglieder werden hinausgestellt. In diesem Fall haben wir mit der Kontaktstellung (Berührungsstellung) zu tun. Auf solche Weise wird oft das Prädikat betont.
Mein einziger Sohn ist draufgegangen in diesem verfluchten Krieg.
Einige Fälle der Ausklammerung sind zur Norm geworden, sind grammatikalisiert worden, rufen keinen stilistischen Effekt hervor:
1. Ausgeklammert werden oft Attributsätze zusammen mit dem Wort, auf das sich der Attributnebensatz bezieht:
Beide waren von dem Gefühl der Hilflosigkeit erfüllt gegenüber dem Schicksal, das sie nicht meistern konnten.
2. Vergleiche werden fast immer ausgeklammert:
Dann haben die Amerikaner Dresden kaputt gemacht und die Mutter ist auf der Straße verbrannt wie eine Fackel.
3. Die Infinitivgruppen, auch kleine, haben eine sehr hohe Neigung ausgetragen zu werden:
Es fängt an, zu regnen.
Unter abweichenden Satzkonstruktionen versteht man Sätze, Satzgefüge oder Satzverbindungen, die gegen die Regeln der Satzfügung verstoßen. Das sind die sogenannten erlaubten Verstöße (Lizenzen).
Syntaktische Ellipse – Auslassung von sprachlichen Elementen, die auf Grund von syntaktischen Regeln notwendig sind. Die notwendigen Aktanten werden eliminiert, d. h. reduziert. Aber der Satz erfüllt in vollem Umfang seine Mitteilungsfunktion. Gestik und Mimik des Sprechenden und die Situation selbst garantieren das volle Verständnis trotz fehlender Bestandteile. Die fehlenden Teile sind unsichtbar anwesend:
Was ist mit Spinner? – [Er] Liegt in Neubrandenburg. [Er] [hat] Schwere Gehirnverletzung.
Kennst du ihn? – [Ja, ich kenne ihn. Er] War unser Chef. Du gefällst mir. – Und du [gefällst] mir auch.
Im Stil der Alltagsrede dient die Ellipse der Sprachökonomie und ist Ausdruck einer gewissen Nachlässigkeit. Sie dient auch der Auflockerung des Satzes:
Soll mir ein Vergnügen sein.
Im Stil der Presse und Publizistik sind die elliptischen Sätze in Schlagzeilen, Titeln und Untertiteln anzutreffen. Hier stehen sie wieder im Dienste der Sparsamkeit. In gedrängter Kürze wird das Wichtigste und Entscheidendste zum Ausdruck gebracht:
Deutsche Bank auf Rekordkurs. Unfall der Wuppertaler Schwebebahn.
Nominalsätze – verblose Sätze, die gewöhnlich nur aus Nomina (aus Substantiven und Adjektiven) bestehen. Den Nominalsatz findet man in der Belletristik. Die Nomina sind hier die Hauptträger der Gedanken, Vorstellungen, Assoziationen:
Nacht. Graue Wolken. Ein Mondschatten. Mainacht. Der Sterne mildes Schweigen.
Der Autor reiht Eindruck an Eindruck, Merkmal an Merkmal und man bekommt danach ein Gesamtbild, ein Ganzes, etwas Einheitliches. Der Nominalsatz kann äußere und innere Bewegung, Erregung, Betrachtung, Ruhe ausdrücken.
Nominalsätze kommen auch in Tagebüchern, Telegrammen, Losungen, Werbetexten, Schlagzeilen, Wetterberichten, Inseraten vor. Hier werden sie als angemessen und nicht expressiv empfunden.
Man muss den Nachtrag von der Ausrahmung unterscheiden.
Die Ausrahmung (Ausklammerung) hat man in einem rahmenhaltigen Satz, das ausgerahmte Glied bleibt mit dem Inhalt des Satzes fest verbunden:
Wir sind überzeugt von der Macht der Literatur.
Der Nachtrag wird an einen grammatisch, semantisch und phonatorisch abgeschlossenen Satz angereiht. Im Prinzip ist es eine neue satzhafte Äußerung, die an den Hauptinhalt angefügt wird:
Ein Gespenst geht in Europa um. – das Gespenst des Kommunismus. Der Nachtrag erklärt näher den Begriff und gibt dem Satz zwei oder mehrere Betonungsgipfel. Das ist auch ein Mittel der Hervorhebung. Die Spreizung gilt als Abart des Nachtrags. Bei der Spreizung werden zwei gleichartige Satzglieder auseinandergerissen, d. h. zwei oder mehrere zusammengehörige gleichwertige Begriffe werden gespreizt:
Immer dichter wurde die Zuschauermenge und immer gespannter.
Solche Satzkonstruktion erweckt Spannung, emotionalisiert den Satz. Dank der Spreizung bekommt der Satz mehrere Nachdrucksstellen, wird semantisch zwei- oder dreigipfig.
Die Isolierung (absolute Absonderung) gilt als noch stärkere Absonderung, Vereinzelung der Satzglieder im Vergleich zu Nachtrag und Spreizung. Das nachgetragene Satzglied wird vom Muttersatz durch einen Punkt und intonatorisch getrennt. Inhaltlich ist die Isolierung mit dem Muttersatz eng verbunden und ohne ihn undenkbar. Die Isolierung kann in Form eines einzigen Satzgliedes, einer Ellipse, eines Teilsatzes, einer Wortgruppe auftreten: Man steht draußen. Vor der Tür (W. Borchert). Rache ist Honig. Bei Gelegenheit (W. Borchert). Thomas hielt an. Wartete. Lief weiter.
Wir bauen Autos. Autos mit Luft- und Wasserkühlung. Mit Heck- und Frontmotor. Autos der verschiedenen technischen Konzeptionen.
Durch diese Verselbständigung wird die Aussage besonders stark sachlich oder emotional hervorgehoben. Die Aufgliederung der Aussage macht diese leichter, lebendiger und das ausgestellte Glied gewichtiger.
Der Nachschub tritt als Sonderform des Nachtrags auf. Das Merkmal des Nachschubs ist die Endstellung eines Substantivs, dem ein Pronomen vorangeht:
Endlich hat er ihr das entrissen, das Geständnis.
Gestern, als ich im Keller aufräumte, fand ich ihn, Großmutters Korb. Die Prolepse wird als Gegenstück des Nachschubs betrachtet. Bei der Prolepse handelt es sich um das Wiederaufgreifen eines vorangehenden Substantivs, Adverbs, verkürzten Nebensatzes oder Relativsatzes durch ein nachfolgendes pronominales Element (das in modernen Gedichten auch oft wegfällt):
In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad (Eichendorff). Das Anakoluth (Satzbruch). Die Wiederaufnahme stimmt im
Kasus, Numerus oder in anderen grammatischen Bezügen nicht mehr mit den Vorgaben überein. Der Sprecher oder Schreiber hat scheinbar den roten Faden seines Gedankens verloren:
Dieser Kerl, dem werde ich es schon zeigen!
Manche Konstruktionsbrüche beruhen auf Vernachlässigungen des logischen oder semantischen Zusammenhangs und führen zu Bildbrüchen (Katachresen), die als Stilfehler auch sogar witzig wirken können:
Unterschreiben Sie die Quittung mit Ihrer Frau und senden Sie sie umgehend zurück (doppelter Sinnbruch, aus einem Geschäftsbrief). Neuerdings nutzt die Werbesprache scheinbare Konstruktionsbrüche, die auf Auslassungen von Zwischenangaben beruhen.
Johannesburg ist 1015 Euro entfernt (Flugwerbung).