Die normative Wortfolge richtet sich nach folgenden Gesetzmäßigkeiten:
- Bekanntes und weniger Wichtiges eröffnet die Aussage (das Thema der Aussage steht meist an erster Stelle).
- Neues und Wichtiges (das Rhema) wird an den Satzschluss gerückt.
- Von den zwei Satzgliedern geht das kürzere voran: Ich schreibe den Brief an meinen Freund.
- Das attributive Adjektiv steht vor dem Substantiv, auf das es sich bezieht: Die erfrischende herbe Winterluft.
- Der attributive Genitiv steht nach dem Substantiv, auf das er sich bezieht: Das Haus meiner Eltern.
- Das nichtzusammengesetzte Verb hat im Hauptsatz die Zweitstellung, und im Nebensatz – die Endstellung.
- Infinitiv und Partizip II haben beim zweiteiligen Prädikat die Endstellung.
Aber diese Reihenfolge der Satzglieder ist nicht zwingend. Je nachdem was wir betonen wollen, können wir sie umstellen. Dabei gilt die Faustregel: Je höher der Wert des Satzgliedes ist, desto mehr rückt es an das Ende des Satzes.
Beginnt der Satz mit einem Satzglied, das einen geringen Mitteilungswert besitzt, so wirkt solche Stellung im Satz nicht expressiv. Expressiv ist dagegen die Stellung von Satzgliedern mit hohem Mitteilungswert am Satzanfang. Sie wird als Ausdrucksstellung bezeichnet:
Genommen ist die Freiheit, nicht gegeben.
Wenn man aus irgendwelchen Gründen die Normalfolge verlässt, muss man die Gesetze kennen, die die Wortstellung regieren. Die Ausdrucksstellungen für jedes Satzglied sehen im Deutschen folgendermaßen aus:
1. Subjekt
Normalerweise steht das Subjekt an erster oder dritter Stelle. Es ist gewöhnlich das Bekannte (das Thema) (im Stil des offiziellen Verkehrs, der Wissenschaft). Wenn es das Rhema ist, steht es am Satzende. Die Endstellung ist also seine Ausdrucksstellung (in der Poesie, im Stil der Belletristik, im Stil der Presse und Publizistik, in der Alltagsrede):
Über der Wiese schrien misstönend Kiebitze. Stehen geblieben ist in den Räumen die Zeit.
2. Prädikat
Die Nullstellung des Prädikats ist die Zweitstellung. Ist das Prädikat zweiteilig, so steht an zweiter Stelle der finite Teil, an letzter Stelle – der infinite Teil:
1) in den gefühlsbetonten Sätzen (in der Alltagsrede, in der Poesie) trifft man es in der diametralen Stellung:
Verhungert und erfroren ist sie. Genommen ist die Freiheit, nicht gegeben;
2) Der nominale Teil des Prädikats ist auch an der Spitzenstellung zu finden, was sehr emotional und expressiv wirkt. Man verwendet dieses Stilmittel in der Poesie oder in der Belletristik bei der Wiedergabe der Figurenrede:
Widerwärtig ist mir das dumme Gerede.
Grau soll es werden, hässlich und grau auf der Erde;
3) Das trennbare Präfix des einfachen verbalen Prädikats ist auch an der Spitze des Satzes anzutreffen. Diese Konstruktionen sind mundartig gefärbt und wirken durchaus expressiv:
Mit muss ich.
Zu nimmt eine Psychose.
Auf tut sich der weite Zwinger;
4) die Spitzenstellung eines einfachen Prädikats ist eine seltene Erscheinung. Solche Wortstellung schafft eine besondere Stimmung und ist der alten Volksdichtung eigen:
Sah ein Knab’ ein Röslein stehen... (Goethe).
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf meinen Fuß (Mörike).
Spricht zu ihm Marta (Märchen);
5) der finite Teil des Prädikats kommt in der Anfangsstellung auch im Stil des offiziellen Verkehrs vor, z.B. in der Handelskorrespondenz (die Kanzleisprache):
Habe Ihren werten Brief erhalten;
6) in der Umgangssprache ist die Spitzenstellung des finiten Teils des Prädikats Ausdruck der Nachlässigkeit:
Hast du das verstanden? – Habe verstanden. Ist alles erledigt? – Ist erledigt;
7) der finite Teil kann am Ende des Aussagesatzes stehen (nicht in einem Nebensatz), aber nur in der Poesie:
Alle Männer ringsum und Frauen
Auf den herrlichen Jungen verwundert schauen (Schiller).
3. Objekt
Die Grundstellung des Objekts ist das Ende des Satzes. Expressiv ist die Stellung der Ergänzung am Satzanfang:
Eine Farbe brauche ich, eine Farbe. Die Augen möchte ich ihm auskratzen.
4. Attribut
Das adjektivische Attribut hat im Satz eine feste Stellung. Es steht gewöhnlich vor dem Substantiv, auf das es sich bezieht. Das ist seine Nullstellung. Wird aber gegen diese Regel verstoßen, so ergeben sich verschiedene stilistische Effekte:
1) Das Attribut folgt ohne Pause auf das Substantiv unflektiert: Röslein, Röslein, Röslein rot.
Manchmal trennt man das unflektierte Attribut durch Kommata, und das wirkt noch nachdrücklicher:
Der Himmel, blau und kinderrein, worin die Wellen singen (Mörike).
Dein Auge, gelb und wild, wie Adleraugen sind.
Solche Konstruktionen sind oft im Stil der Presse und Publizistik, in Inseraten zu treffen:
Junge Frau, kunst- und naturliebend, sucht einen gleichgesinnten Partner;
2) Flektierte Attribute kommen in der Nachstellung auch vor. Solche Wortstellung weist einen feierlichen Klang auf. Im Althochdeutschen war die Nachstellung des attributiven Adjektivs im größeren Umfang möglich. Heute wirkt das archaisch und beschränkt sich auf die Dichtung:
Ans Vaterland, ans treue, schließ dich an!
In Höhlen wächst, in süßen, reichen, der Honig sommerklar.
3) man begegnet dem nachgestellten Attribut in der Apostrophe, unter der eine Anrede an eine nicht anwesende Person, an eine Naturerscheinung, an einen Affekt verstanden wird:
Oh, Hoffnung! Holde!
Kurzer Sommer, blühender, bleib’!
Alle obenerwähnten Fälle stellen die Verletzung des nominalen Rahmens dar, d. h. Einschub aller Attribute, die durch Adjektive ausgedrückt sind, zwischen ein Artikelwort und das Substantiv, auf das sie sich beziehen.
Das Attribut, das durch das Substantiv im Genitiv ausgedrückt ist, steht nach dem Substantiv, auf das es sich bezieht. Die Voranstellung wirkt sehr expressiv und zeichnet sich durch Erhabenheit, Würde, Feierlichkeit aus:
die Sportanerhäuser (die Häuser der Sportaner); Schillers Dramen (die Dramen Schillers);
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.