1. Die Wörter oder Wortgruppen oder Sätze, die sich wiederholend aufeinander folgen, werden Epizeuxis genannt. Diese Figur dient der Hervorhebung. In Aufwallung von Gefühlen wird das Wort mehrmals wiederholt. Man drückt damit Gefühle aus. Das ist auch ein Mittel der Eindringlichkeit und der Nachdrücklichkeit. Am häufigsten begegnet man die Wiederholung in der Alltagsrede, das ist das beliebteste Stilmittel in der Volkspoesie:
Nichts, nichts, nichts kriegen wir!
Vati, Vati, ich habe dich sehr sehr lieb!
Der grüne Specht, der grüne Specht,
Der macht der Braut das Haar zurecht.
Der Kakadu, der Kakadu,
Der bringt der Braut die neuen Schuh’.
2. Mit der erweiterten oder variierten Wiederholung erzielt man eine größere emotionale Wirkung:
Nichts, aber auch gar nichts.
Diese Art der Wiederholung kann man im Stil der Wissenschaft treffen, wo sie der begrifflichen Schärfe der Eindeutigkeit dient:
Die Sprachkunde, die strukturelle Sprachkunde.
3. Die Anapher gilt als eine besondere Art der Wiederholung. Das Wort wird am Anfang einiger Sätze, Absätze oder Kapitel wiederholt. Anaphern wirken gewöhnlich expressiv, weil sie hervorhebend und Text gliedernd sind:
Unwiederholbar ist der Wechsel der Farben. Unwiederholbar allmähliche Veränderung des Lichts über dem Städtchen. Unwiederholbar die Widerspiegelung des Lichts in Manfreds Augen.
4. Die Epipher gilt als Gegenstück der Anapher. Das ist die Wiederholung am Ende mehrerer aufeinander folgender Sätze, Satzteile, Absätze und Kapitel. Epiphern kommen außerordentlich selten vor und wirken sehr expressiv:
Er spürte Können, Wachsen und Vollendung. Sein Werk war geglückt. Augustin erkannte es. Die Kenner erkannten es. Und die dummen Mächtigen erkannten es. Und auch die Franzosen werden das erkennen, sogar die Deutschen. Und auch die späteren.
5. Anaphern und Epiphern können kombiniert auftreten. Diese Figur nennt man die Symploke. Sie kommt vorwiegend in der Poesie vor. Im Deutschen ist sie selten:
Er steht schon draußen und riskiert den ersten Schritt noch nicht. Denn der erste Schritt heißt: Wiederum verloren. Sie steht noch drinnen und kann die Tür noch nicht zuschlagen. Denn jede zugeschlagene Tür heißt: Wiederum verloren.
6. Der Kyklos („Ringbau“) ist Wiederholung als Rahmen, d. h. der Satz (der Absatz, das Kapitel) beginnt und endet mit demselben Wort. Kyklos dient der emotionalen Expressivität, ist eher der Belletristik eigen:
Ermordet haben Sie uns, alles haben Sie ermordet.
Wie satt ich das alles habe, diese Haltung und Würde, dieses Taktgefühl und Ferngefühl und Gleichgewicht, wie sterbenssatt.
Die Anadiplose ist Wiederholung des Zeilenendes am nächsten Zeilenanfang:
Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Der Mensch lebt durch den Kopf, der Kopf reicht ihm nicht aus (B. Brecht).
7. Wiederholungen in Form eines Wortspiels sind auch ein Mittel der Hervorhebung, das oft im Dienste des Witzes und des Humors steht.
1) Paronomasie – Wortspiel mit (verfremdender) Änderung des Wortkörpers in der Wiederholung:
Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg. Auswahl der Besten wird zur Auswahl der Bestien. Preise für die Reise;
2) Polyptoton – flexivische (morphologische) Änderung des gleichen Wortes in der Wiederholung:
Das hat ein Freund für seinen Freund getan (Fr. Schiller. Don Carlos).
Der Standpunkt der Genossen darf kein Stehpunkt sein. Das hat gestanden und steht.
Das wurde gelesen und man liest das jetzt.
Das Verworfene verwerfen.
Das Zertrümmerte zertrümmern.
Sie schliefen den Schlaf der Gerechten.
8. Parallelismus – die darauf folgenden Sätze werden parallel gleich gebaut. Der Parallelismus dient meist der Hervorhebung des Gedankens und der Textgliederung. Er steht im Dienste der Rhythmisierung, spielt eine große Rolle in gebundener Rede und in der Lyrik. Hier handelt es sich nicht um die wörtliche Wiederholung, sondern um eine gedankliche, um die Wiederholung der Satzstruktur,
d. h. gleiche Satzglieder besetzen gleiche Satzstellen:
Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Und wer Hitler wählt, wählt den Krieg.
Moral predigen ist leicht, Moral begründen ist schwer.
Auf der Entgegensetzung von Wörtern beruhen folgende Stilfiguren:
1. Das Oxymoron – Verbindung von (oft einander ausschließenden) Gegensätzen in einer Wortkombination als Adjektiv-Substantiv oder Adjektiv-Adjektiv. Die Oxymora wirken sehr emotional und stehen oft im Dienste der Satire, werden von der Lyrik und der Publizistik benutzt:
beredetes Schweigen, die zeitlose Uhr, hässliche Schönheit.
2. Die Antithese – zwei Begriffe werden parallel gestellt und dann gegenübergestellt. Erst im Kontrast lässt sich die Eigenart einer Sache hervortreten. Die Antithesen betonen, heben hervor und gliedern:
Ich bin so schwach. Ich bin so stark. Mir ist so wohl. Mir ist so weh.
3. Der Chiasmus (= die Kreuzstellung) – Überkreuzstellung antithetischer Wortpaare, Satzglieder oder Sätze. Stellungsmäßig ist das eine Gegensatzverbindung. Der Satz ist wie der griechische Buchstabe X (Chi) gebaut:
Wer viel redet, erfährt wenig! Ich bin groß, klein bist du.
4. Die Antimetabole gilt als semantisch komplizierter Chiasmus. Hier werden semantisch entsprechende Bestandteile syntaktisch einander entgegengesetzt. Diese Figur ist sehr expressiv, sie fesselt die Aufmerksamkeit des Empfängers immer:
Rubens war der König der Maler und der Maler der Könige.
Ritter erschrak, ohne zu verstehen. Manfred verstand, ohne zu erschrecken.
Das Epitheton (nach E. Riesel) ist jede Merkmalsbestimmung eines Substantivs oder Verbs, durch die der betreffende Begriff logisch- sachlich konkretisiert oder emotional eingeschätzt wird:
1. Konkretisierende Epitheta (logisch-sachliche) kommen in allen kommunikativen Bereichen vor. Mit ihrer Hilfe entsteht im Bewusstsein des Lesers bzw. Hörers die Vorstellung von Farbe, Form, Klang, Geruch und anderen Sinnesempfindungen, aber auch eine logische Schlussfolgerung über wesentliche Merkmale und Eigenschaften. Der Grad der Bildhaftigkeit ist – je nach dem Kontext – bald stärker, bald geringer:
Er schenkte ihr eine herrlich duftende gelbe Teerose (Geruch, Farbe). Auf dem Tisch stand eine hohe, grüne Vase (Farbe, Form, Größe). Die Mutter sprach tröstend auf ihr krankes Kind ein (Zustand).
2. Bewertende emotionale Epitheta offenbaren die persönlichen Beziehungen des Senders zum Gegenstand der Darstellung, daher kommen sie im Stil der Sachprosa seltener vor. Der Stil der Alltagsrede ist in der Regel von bewertenden Beiwörtern stark durchsetzt:
ein schrecklich interessanter Roman, mächtiges Glück, mächtige Angst.
3. Stehende Epitheta bilden mit ihrem übergeordneten Begriff eine formelhafte Verbindung, treten oft in der Volksdichtung oder in der Werbung vor:
grünes Gras, kühler Brunnen, tiefes Tal, böse (alte) Hexe, buckliges (winziges) Männlein, billige Preise, konkurrenzloses Angebot sensationelle Neuerscheinung.
4. Unerwartete Epitheta bilden den Gegensatz zu den stehenden Epitheta. Meist beruhen sie auf übertragener Bedeutung (metaphorische Epitheta):
grünes Dunkel, ein blaues Lächeln im Antlitz, die schlafenden Schaufenster (E. M. Remarque).
5. Lieblingsepitheta werden zu einer bestimmten Zeit, innerhalb eines bestimmten Kollektivs, von bestimmten sozialen Gruppen überaus häufig gebraucht:
ein fabelhaftes Buch, ein fabelhaftes Konzert, fabelhaftgutaussehen, eine fabelhafte Überraschung.
Das tautologische Epitheton. Darunter verstehen wir solche Beiwörter, die von ihrem übergeordneten substantivischen Begriff ein Merkmal hervorheben, das ohnehin schon in ihm selbst enthalten ist:
ein weißer Schimmel, ein Riese von ungeheurer Gestalt, eine Tarnkappe, die unsichtbar macht.
Hier dient das tautologische Epitheton als emotionales Verstärkungsmittel. Es kann fast in allen Stilen vorkommen, besonders häufig aber im Stil der Alltagsrede.